Netzwerk soll Kinder psychisch kranker Eltern unterstützen

07. 05. 2014

In Bottrop hat unter der Koordinierung des Gesundheitsamtes ein Netzwerk seine Arbeit auf genommen, das seine Angebote an eine besondere Zielgruppe richtet. Kinder und Jugendliche psychisch kranker und suchtkranker Eltern sollen gezielt Hilfe finden. Das Projekt, das zunächst bis Ende 2017 angelegt ist, wird vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert. Den kommunalen Anteil trägt die Ernst-Löchelt-Stiftung.

"Normalerweise fördert die Stiftung Freizeitangebote für Kinder, deren Familien ansonsten eine Teilnahme nicht finanzieren könnten", sagt Altoberbürgermeister Ernst Löchelt, der Stiftungsgründer und Vorstandsmitglied ist. "Wir finden aber, dass dies eine so wichtige Angelegenheit ist, dass wir uns entschlossen haben hier Hilfe zu leisten."

Wibke Zillmer und ihr Mischlingsrüde Fido als Therapiehund mit Vertretern des Netzwerks.

In dem Netzwerk arbeiten verschiedene Stellen zusammen. Dies sind zum einen das Gesundheitsamt und das Antoniuskrankenhaus und zum anderen Träger und Anbieter unterschiedlicher pädagogischer und therapeutischer Angebote. Neben gezielter Psychoedukation, bei der es darum geht, dass die Kinder und Jungendlichen das Krankheitsbild der Eltern erst einmal verstehen, sollen in Gruppen mit Schreibwerkstätten, Klettersport oder Umgang mit Hund oder Pferd die Erfahrungen und Erlebnisse verarbeitet werden. "Ziel ist, die Persönlichkeit der Heranwachsenden und ihr Selbstbewusstsein zu stärken", sagt Dr. Astrid Danneberg, Koordinatorin des Netzwerks im Gesundheitsamt der Stadt.

Hintergrund:

In Deutschland leben rund 1,5 Millionen Kinder, deren Eltern psychisch erkrankt und/oder suchtmittelabhängig sind. Damit ist die Zahl der betroffenen Kinder viel höher als bisher angenommen.

Kinder brauchen Schutz und Fürsorge. Was tun, wenn Eltern dies auf Grund ihrer Lebensumstände nicht immer gewährleisten können? Sie brauchen manchmal zusätzliche Unterstützung vom Hilfesystem um gesundheitliche Risiken für ihre Kinder auszuschließen und um diese angemessen zu fördern.

Mit der psychischen Erkrankung der Eltern steigt auch das Risiko der betroffenen Kinder, psychisch zu erkranken. Forschungen hierzu belegen, dass das Risiko des Kindes bei einem erkrankten Elternteil bei 10 bis 15 Prozent liegt, bei einer Erkrankung beider Elternteile wird ein Risiko für das Kind von 35 bis 50 Prozent angenommen. Die Zahlen belegen nachdrücklich, wie wichtig es ist, sich mit der Problemstellung auseinanderzusetzen und im Interesse der betroffenen Kinder und deren Eltern gemeinsam mit allen im Versorgungssystem beteiligten Einrichtungen Lösungswege zu entwickeln.

Kinder aus chronisch belasteten Familien sind besonderen emotionalen Belastungen ausgesetzt. Sie werden über längere Zeiträume mit elterlichen Verhaltensweisen konfrontiert, die sie weder verstehen, noch verarbeiten können. Zudem wird die psychische Erkrankung häufig tabuisiert, so dass den Kindern der Zugang zur notwendigen Unterstützung oft verwehrt bleibt.

Schamgefühl und Angst, aber auch fehlende Informationen über vorhandene Unterstützungsangebote verhindern nicht selten eine aktive Hilfesuche. Die Angst vor dem Verlust ihres Kindes führt dazu, dass sich psychisch kranke Eltern gegenüber Hilfsangeboten und professionellen Einrichtungen oftmals sehr zurückhaltend zeigen. Diese Situation soll über Aufklärung und Beratung zunehmend verbessert werden.

Das Bottroper Netzwerk:

Der Sozialpsychiatrische Dienst aus dem Gesundheitsamt der Stadt Bottrop beschäftigt sich bereits seit dem Jahr 2010 mit der Problematik. Der weitere Schritt waren regelmäßige Sprechstunden im St. Antonius-Krankenhaus in Bottrop-Kirchhellen. Angeboten wurden Einzel- und Gruppenangebote, wie z. B. kunsttherapeutische Gruppen für die Kinder. Ein Patenschaftsmodell kann konkrete Entlassungshilfen anbieten. Alle Angebote sollen dazu beitragen, die Lebenslage der betroffenen Kinder und ihrer Familien nachhaltig zu verbessern.

Einen wesentlichen Beitrag leistet das Netzwerk, indem alle relevanten Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie mit der Jugendhilfe eng kooperieren. Für die bereits vorhandene vorbildliche Netzwerkarbeit „Präventionspfad Seele" ist Bottrop 2011 mit dem Gesundheitspreis der Landesinitiative Gesundes Land NRW ausgezeichnet worden.

Im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie verfügt Bottrop über viele Angebote sowohl ambulanter, teilstationärer als auch stationärer Natur. In all diesen Einrichtungen wird die Problematik der Kinder zwar grundsätzlich wahrgenommen. Die Interventionen für die Kinder sind aber sehr eingeschränkt und in der Regel nicht konzeptionell verankert. Vor diesem Hintergrund sollen in der Stadt Bottrop Sozialräume definiert werden, in denen die verschiedenen Träger von Beratungs- und Betreuungsleistungen im Sinne eines Netzwerkes kooperieren. Damit soll das Ziel erreicht werden, die Problematiken von Kindern psychisch kranker Eltern stärker als bisher in den Vordergrund zu rücken und die vorhandenen Angebote im Sinne einer Ressourcenorientierung besser zu nutzen.

Gemeinsam sind das St. Antonius-Krankenhaus Bottrop-Kirchhellen, das Gesundheitsamt und das Jugendamt im September 2013 an den Start gegangen. Die bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen den an der Betreuung von psychisch und suchtkranken Eltern beteiligten Handelnden erleichtern den Zugang zu den Kinder und Jugendlichen. Die Koordinierung der Hilfen für diese Zielgruppe sind im Weiteren von den beteiligten Institutionen innerhalb der Stadt Bottrop zu prüfen und eventuell anzupassen und zu verbessern. Die ersten Erfahrungen mit der seit September 2013 stattfindenden Sprechstunde im St.-Antonius-Krankenhaus haben schon verschiedene Gruppen zusammengeführt. Auf Grundlage der erfolgreichen Zusammenarbeit ist es Bottrop gelungen, eine weitere Finanzierung mit Landesmitteln und Stiftungsgeldern ab 2014 über drei Jahre hinweg zu sichern.

Kooperierende Netzwerkpartner sind:

  • Martin Schmid, Stadtsportbund - Klettergruppe,
  • Anke Grunden, Geschäftsführung von „Die Perspektive e. V.",
  • Michaela Skrzipale, Leseförderung und Schreibwerkstatt,
  • Hildegard Große-Wilde, Kunsttherapeutin,
  • Sabine Brill, psycholog. Psychotherapeutin, Psychoedukation,
  • Wibke Zillmer, Ergotherapeutin.

 

Quelle: http://www.bottrop.de/stadtleben/gesundheit/aktuelles/140506_Kinder.php